Woche 5 gehört der Vergangenheit an und der eigentlich Host (@JonaGroe89) von 1-2-3 hat sich eine wohlverdiente Auszeit genommen. Ich darf ihn für die nächsten 2 Wochen vertreten, ich hoffe mit genauso interessanten Fragen wie bisher.
Nach Week 5 hat die NFL schon so einige Geschichten geschrieben, sowohl positive wie auch negative. Darum habe ich mir gedacht diese beiden Wochen auch so aufzuteilen. Fangen wir diese Woche mit den eher negativen Themen an, heute darf ich (@MartinBrandtner) die Woche gemeinsam mit Benedikt Jakobi (@BeniJakobi) die Entäuschungen der bisherigen Saison betrachten:
Die Denver Broncos sind bisher eine der Enttäuschungen der Saison. Ist die „Ehe“ zwischen Broncos und Wilson ein einziges Missverständnis? Woran liegt es, dass es gar nicht funktioniert?
Benedikt Jakobi: Ich denke bei den Broncos kommen aktuell einige Dinge zusammen, die in Summe zu diesem enttäuschenden Start in die Saison geführt haben. Zum einen merkt man die Unerfahrenheit von First Time Head Coach Nathaniel Hackett. Playcalling, In-Game Entscheidungen, Clock Management – das alles funktioniert bei Denver aktuell noch so gar nicht. Das führte zu absurden Szenen, wie dem verpassten Field Goal im ersten Spiel gegen die Seahawks im letzten Drive oder Fans, die für die Offense laut die Playclock herunterzählen. Immerhin hat Hackett hier reagiert und mit Jerry Rosburg einen Senior Assistant installiert, der bei diesen Situationen unterstützt. Mir gefällt es, wenn Coaches Schwächen eingestehen und sich helfen lassen, anstatt stur zu sein. Das rechne ich ihm also positiv an.
Kommen wir zu Russell Wilson: So wie sich Defenses entwickeln, könnte man argumentieren, dass Wilsons Spielstil “von gestern” ist. Defenses in dieser Saison fokussieren sich bisher sehr stark darauf Big Plays zu eliminieren. Zwei tiefe Safeties zwingen Offenses dazu viele kurze Pässe anzubringen und konstant den Ball zu bewegen. Und genau das war schon immer Wilsons Schwäche. Wilson ist DER Big Play Quarterback der NFL. Er tut sich also schwer daran, auf diese Anpassung von Defenses zu reagieren. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Broncos diese Probleme im Quick Game übersehen oder unterschätzt haben oder ob sie hofften, dass Hackett Wilson helfen kann, diese Schwäche zu überwinden. Immerhin hat Hackett vorher bei den Packers mit Aaron Rodgers, dem wohl besten Quick Game Quarterback der NFL zusammengearbeitet. Ich denke hier kann man den Broncos schon ein wenig Augenwischerei vorwerfen. Wilson hatte diese Probleme seine gesamte Karriere unter mehreren Offensive Coordinators. Also einfach zu denken, das ist mit Hackett zu lösen, war wohl etwas leichtgläubig.
Insgesamt würde ich bei den Broncos noch nicht überreagieren. Man hat auch zwei Spiele gewonnen und ist natürlich noch voll im Playoff-Rennen. Das Fumble Pech, die unglücklichen Spielverläufe und Wilsons Verletzung gegen die Colts, die mit zu seiner Schwachen Leistung beigetragen haben, sind alles Punkte, die sich nur sehr unwahrscheinlich durch eine ganze Saison ziehen. Allerdings muss man auch ehrlich sagen, dass wenn das Spiel der Broncos so schwerfällig und zäh bleibt, halte ich es für durchaus möglich, dass Hackett schnell einen heißen Stuhl bekommt. Mit dem Trade und dem neuen Vertrag hat man sich an Wilson gebunden. Wenn die Leistungen nicht besser werden, werden sich GM George Paton und das Front Office, die Frage stellen, wie man korrigierend eingreifen kann und da sind Head und Offensive Coaching natürlich naheliegende Faktoren. Für mich ist die Broncos-Wilson-Ehe also noch kein Missverständnis. Die Broncos-Hackett-Ehe steht meiner Ansicht nach auf wackligeren Füßen.
Martin Brandtner: Ich muss sagen, danke Benedikt für die ausführliche Antwort, da hast du dich mit dem Thema schon sehr intensiv befasst. Ich muss ehrlich zugeben, ich sehe die Broncos in keinster Weise in den Playoffs. Ich war vor der Saison schon etwas skeptisch, dachte mir aber, dass Hackett Wilsons Spielstil gut tun könnte. Klar Wilson ist der BIG PLAY QB der Liga, aber er kann auch kurze Pässe, hat man schon gesehen. Viel Play Action, ein gutes Laufspiel, dazu Receiver die jetzt nicht zu den schlechtesten in der Liga zählen. Dazu eine sicherere O-Line, genau diese hatte Wilson in Seatle meistens nicht.
Alles Zutaten für eine erfolgreiche Offense, nur dass der Spielstil so noch nicht umgestzt ist. Hackett kämpft mehr mit sich selbst als mit Wilson oder dem Spiel der Broncos. Alles in allem vielleicht keine so gute Entscheidung, Wilson einen First Time Head Coach zur Seite zu stellen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Ich muss hier auch Benedikt Recht geben, es zeigt von Größe wenn man gewisse Schwächen eingesteht, so wie es Hackett gemacht hat mit der Verpflichtung von Jerry Rosburg.
Um ehrlich zu sein, war es mein erster Gedanke, als ich die Entlassung von Matt Rhule gelesen habe, wer der nächste sein könnte. Wenn es kein Rookie Head Coach wäre, würde ich sofort sagen, dass der Stuhl bei den Broncos am heißesten ist. Ich habe schon das Gefühl, dass sich sowohl Wilson, wie auch die Broncos, wie auch Hackett mehr erwartet hätten. Ob dies noch kommt kann ich nicht sagen, das Problem der Broncos liegt aber mehr an Hackett als an Wilson. Hackett bzw. das Coaching der Broncos braucht dringend Hilfe damit dies eine erfolgreiche Zukunft hat. Wilson ist ja auch nicht mehr der Jüngste.
Welches Teams, außer den Denver Broncos, ist aus deiner Sicht die größte Enttäuschung?
Benedikt Jakobi: Gemessen an den Erwartungen vor der Saison sind die Indianapolis Colts für mich hier die Antwort. Selbst wenn sie nach fünf Spielen mit 2-2-1 auf Platz 2 der AFC South stehen, ist das “Erlebnis” Colts bisher verheerend. Die Offense ist super zäh anzuschauen. Die Offensive Line ist die teuerste der Liga und zahlt das aktuell überhaupt nicht zurück. Sie schafft es weder die Pocket sauber zu halten, noch Jonathan Taylor im Run Game Räume zu blocken. Die Receiver sind nicht schlecht, aber gefühlt sind alles Big Body Receiver denen es an Speed und Explosivität fehlt. Und Matt Ryan ist nicht der versprochene Heilsbringer, sondern wirkt wie ein alter Quarterback, der seinen Zenit weit überschritten hat. Er hat große Probleme mit Pressure umzugehen und macht selber große individuelle Fehler. Die beiden Interceptions gegen die Broncos waren total hässlich.
Die Defense unter dem neuen Coordinator Gus Bradley ist nicht schlecht, nach DVOA liegt sie im Mittelfeld der Liga. Aber wirklich gut oder gar spektakulär ist sie auch nicht. Aktuell ist die Offense viel zu sehr abhängig davon, dass die Defense den Gegner bei wenig Punkten hält und gute Field Positions für die Offense erspielt. Head Coach Frank Reich, der vor der Saison als einer der besten Offensive Minds angesehen wurde, muss sich schleunigst etwas einfallen lassen, die offensive Performance zu steigern. Nur wenn das gelingt, verabschieden sich die Colts aus dem Rennen um die größte Enttäuschung der Saison.
Martin Brandtner: Gemessen an den Erwartungen hast du sicher recht mit den Colts, doch mir war schon im Vorhinein klar, dass ihr Ziel mit den “alten” Quaterbacks nichts werden wird. Ryan ist für mich zu sehr am absteigenden Ast gewesen, als dass er ein Team noch in die Superbowl führen kann. Ich gehe hier eher in Richtung der beiden Superbowl-Teams letzten Jahres. Den Los Angeles Rams und Cincinnati Bengals. Die einen haben die Super Bowl im letzten Jahr gewonnen, die anderen waren kurz davor.
Vor allem entäuscht bin ich von den Rams, die mit ihrem Einkaufsprogramm auf “ältere” Stars setzten. Sie haben mich bis heuer noch nicht überzeugt. Es fehlt mir das Potential Plays zu erzeugen und Spiele zu gewinnen. Vor allem in der Offense sehe ich hier Problem. Das Laufspiel ist nicht vorhanden und neben Cooper Kupp gibts, aus meiner Sicht, keinen weiteren starken Receiver. Auch die Defense ist hier nicht von jeder Schuld frei zu sprechen, klar Bobby Wagner kann überzeugen, auch Aaron Donald oder Jalen Ramsey. Doch durch die strauchelnde Offense lassen sie einfach zu viele Yards zu. Vor allem die Art und Weise, wie die Rams ihre Spiele verlieren ist schon beängstigend. Gegen die Bills kann man schon mal verlieren, aber in der gesamten zweiten Halbzeit keine Punkte zu erzielen (als Superbowl Gewinner) sollte so nicht sein. Die klaren Niederlagen gegen die 49ers und Cowboys war schon ein größerer Hilfeschrei.
AFC und NFC West strugglen zu Saisonbeginn obwohl die beiden Divisions vor der Saison als besonders stark eingeschätzt wurden. Wie sieht euer Division Power Ranking nach 5 Spielen aus?
Benedikt Jakobi: Vorab: Ich habe mein Ranking viel hin und her geschoben. Die Plätze 2 und 3 sowie 4-7 – und damit die gesamte NFC – sind extrem eng beieinander und mehr oder weniger austauschbar je nachdem wie man einzelne Teams sieht. Besonderes Shoutout an die NFC East, die vor der Saison als eine der schwächsten der Liga gehandelt wurde. Hier mein Ranking mit jeweils kurzer Erklärung:
- AFC North: Die Ravens sind ein echter AFC Contender und haben aktuell mit Lamar meinen MVP-Pick in ihren Reihen. Die Browns sind gut gecoacht, machen offensiv das meiste aus ihren Ressourcen und werden nach der Rückkehr von Deshaun Watson noch stärker. Die Bengals haben einen kleinen Hangover, aber sind immer noch ein gutes Team mit sehr talentierten Spielern. Die Steelers kann man ausklammern, aber jede Division hat ihr schwaches Team.
- AFC East: Die Bills sind aktuell das beste Team der Liga. Die Jets sind noch sehr inkonstant, deren drei Siege würde ich nicht zu hoch bewerten. Die Dolphins (mit Tua) haben überragende Playmaker und super Coaching. Die Patriots sind gerade offensiv zwar nur halbgar aber immer unangenehm zu bespielen.
- AFC West: Die Chiefs sind das zweitbeste Team der Liga, es ist beeindruckend wie sie sich offensiv ohne Tyreek Hill gewandelt haben. Die Chargers sind sehr bemüht sich selber zu schlagen, haben aber Starspieler, die den Floor dieses Teams sehr hoch halten. Die Broncos sind enttäuschend, werden sich aber noch steigern. Die Raiders sind besser als ihr 1-4 Record, aber eher ein Team fürs Mittelfeld.
- NFC East: Die Eagles dominieren beide Lines, Jalen Hurts weiß seine Waffen im Passspiel einzusetzen und das Run Game ist legit. Die Cowboys haben eine geniale Defense und machen offensiv genug, hier ist außerdem Besserung mit Prescott in Sicht. Die Giants sind nicht gut aber wenigstens weird und gut gecoacht, was sie extrem unangenehm macht. Die Commanders dürften zu den schlechtesten 5 Teams der Liga zählen.
- NFC North: Die Vikings sind inkonstant, aber ein starkes Team, wenn sie es besser schaffen Tiefs zu vermeiden. Die Packers haben Sand im Getriebe, aber ich glaube weiterhin fest an die Klasse im Team und im Coaching. Die Bears sind schlechter als ihr 2-3 Record. Die Lions haben eine wirklich überzeugende Offense, müssen es aber schaffen ihre Spiele nicht so herzuschenken.
- NFC West: Die 49ers haben die beste Defense der Liga, offensiv ist mit Garoppolo jedoch ein gewisses Limit gesetzt. Die Rams enttäuschen aktuell auf ganzer Linie, ich fürchte es könnte tatsächlich eng werden mit den Playoffs für die Rams. Die Cardinals bringen ihre PS nicht auf die Straße und scheinen sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Seahawks sind aktuell eine schöne Story, aber ich glaube noch nicht an die Nachhaltigkeit der Leistungen.
- NFC South: Die Buccaneers sind immer noch gut, sehen aber nicht so überzeugend aus wie die letzten beiden Jahre. Die Saints scheinen komplett abhängig von Taysom Hill, ansonsten ist das Team inklusive Coaching überaus unrund. Die Falcons sind kompetitiv und gut gecoacht, haben aber einfach insgesamt zu wenig Klasse im Team. Die Panthers haben nach fünf Wochen ihren Head Coach gefeuert, muss man da mehr sagen?
- AFC South: Die Titans sind good not great, sind in jedem Spiel drin und haben gutes Coaching; Titans eben. Die Colts sind grausam anzuschauen und Matt Ryan erinnert an Eli Manning in seiner letzten Saison. Die Jaguars sind spannend und haben Potenzial, aber so wirklich überzeugt bin ich noch nicht. Die Texans dürften nächstes Jahr erneut Top 3 picken.
Martin Brandtner: Mir gehts ähnlich wie Benedikt, auch nach diesem Wochenende hat sich das Ergebniss wieder etwas verschoben. Wobei ich hier weniger von den Standings als von den Leistungen der Teams ausgegangen bin. Eines schon mal vorneweg, die AFC ist aus meiner Sicht wirklich so stark wie es vor der Saison ausgesehen hat:
- NFC East: Dass ich das mal schreiben werde, in dieser Zeit. Die NFC East als #1 in meinem Division Power Ranking. Die Eagles sind das einzige Team, das noch ungeschlagen ist. Aber warum ist die NFC East dann gleich meine #1. Ganz einfach, die Dallas Cowboys schaffen es ihre Spiele zu gewinnen. Diese Spiele sind nicht gegen irgendwelche Gegner sondern darunter Siege gegen die Rams und Bengals. Diese Siege ohne ihren QB Dak Prescott.
- AFC East: Die Bills dürften Momentan das kompletteste Team in der AFC sein. Die Niederlage gegen die Dolphins war unnötig und haben sie sich selbst zuzuschreiben. Doch die Siege waren mehr als beeindruckend. Die Dolphins und Jets stehen bei 3 Siegen. Bei den Dolphins war es vor der Saison erwartet, doch die Jets sehen heuer mehr nach einen Footballteam aus. Auch die Patriots haben mich im letzten Spiel überzeugt und so ausgehsen wie die Patriots Anfang der 2000er Jahre.
- AFC West: Ich sehe die AFC West noch vor den AFC North. Die Chiefs gewinnen Spiele obowhl mir hier die Receiver mit Potential fehlen, haben aber immer noch Mahomes und ein sehr flexibles Laufspiel. Dazu die Chargers, die ein schlafender Riese sind, aus meiner Sicht müssen sie sich, ähnlich wie ich es schon bei den Broncos, noch zu einem Team finde. Die Raiders gehen hier etwas unter, aber im Monday Night Game dieser Woche sahen sie sehr stark aus und hätten das Spiel eigentlich gewinnen können.
- AFC North: Die Ravens sind dank einem überzeugenden Lamar Jackson die #1 in dieser Division. Die Browns gewinnen Spiele dank tollem Laufspiel und sehr gutem Coaching. Die Bengals haben noch nicht ihr gesamtes Potential abgerufen. Die Steelers sind im Rebuild und brauchen sicher noch ein, zwei Jahre bis Pickett aussieht wie ein NFL QB.
- NFC North: Warum kommt die NFC North vor der NFC West. Ganz einfach weil die NFC North die Minnesota Vikings in ihren Reihen haben. Sie überzeugen mich heuer, gewinnen die engen Spiele die sie letzte Saison noch verloren haben. Dazu Packers und Rodgers, da braucht man fast nicht mehr zu sagen, außer, dass die Receiver der Packers immer besser aussehen. Lions sind ebenfalls weiter als viele dachten. Bears sind dabei die Karriere von Fields zu versauen.
- NFC West: Es sollte eigentlich eine Power Division sein, doch dem Ruf wurden sie bisher nicht gerecht. Jeder hat mit sich selbst zu kämpfen, zumindest sieht es für mich so aus. 49ers sehen mit Garoppolo besser aus als mit Lance, am Ende vielleicht Schicksal. Mit den Rams haben wir uns ja schon beschäftigt. Auch entäuscht bin ich bisher von den Cardinals, da sehen für mich die Seahawks mit Geno Smith noch besser aus.
- NFC South: Hier bin ich so richtig von keinem Team überzeugt. Auch nicht von den Bucs und Brady. New Orleans ist weiter weg von dem Playoff als von einem Rebuild. Falcons sind da mitten drin und über die Panthers braucht man ja nichts mehr zu sagen, Matt Rhule ist ja dort Geschichte.
- AFC South: Die Colts hat ja Benedikt schon angesprochen. Titans bauen auch nur auf das Laufspiel um Henry auf, dazu noch Jacksonville, die mit “Prinz Eisenherz” (Aussage von meiner Frau) schon besser aussahen. Dazu, das für mich schlechteste Team, die Houston Texans. Aber bei denen sehe ich schon etwas brauchbares, die Defense ist konkurrenzfähig und Rokkie RB Pierce ist für mich eine der Überaschung der Saison.
Nächste Woche wollen wir die positiven Beispiele und Überraschungen gerne näher bedrachten, dann mit dabei Jessica Fehlhaber (@footballjessy). Gerne auch eure Fragen dazu hier in den Kommentaren oder auf Twitter.