Die Fragen hat Thomas Psaier (Sideline Reporter) am Sonntag gestellt – und ist in einem Fall schon von der Realität eingeholt worden. Die Antworten liefert Jan Weckwerth (Triple Option Blog).
#1 Okay, ich geb’s zu: Einen souveränen Oregon-Auswärtssieg bei Ohio State habe ich nicht kommen sehen. Nicht ohne Kayvon Thibodeaux, nicht in diesem Leben. Was war eindrucksvoller: Die Backfield-Combo der Ducks mit QB Anthony Brown und RB C.J. Verdell, oder die Unfähigkeit der hochgelobten Ohio-State-Defense?
Jan Weckwerth: Für mich die Schwäche der Buckeyes-Defense, die ich allerdings abgesehen von der D-Line eh nicht unbedingt hochgelobt hatte. Die O-Line der Ducks machte – für mich ziemlich überraschend – ein herausragendes Spiel und neutralisierte die beste Unit der Buckeyes um DE Zach Harrison und DT Haskell Garrett. Die schlechten Run Fits der Linebacker sind ein wiederkehrendes Problem, das in den letzten beiden Saisons durch eine sehr erfahrene Truppe etwas kaschiert werden konnte. Der Abgang der vier besten Linebacker in die NFL hat da definitiv nicht geholfen.
Das soll wohlgemerkt nichts vom Sieg der Ducks nehmen. OC Joe Moorhead hatte einen exzellenten Gameplan, und gerade die Zone Read- und Option-Plays der Ducks funktionierten wie aus dem Lehrbuch. Hinzu kamen die Pässe auf die TEs als etwas unterschätzter Matchup-Plan. Ganz, ganz stark.
#2 Iowa dominiert Iowa State im Cy-Hawk-Classic. Sind die Hawkeyes nach den ersten zwei Spieltagen jetzt der Favorit in der Big Ten?
Jan Weckwerth: Das ist für mich weiterhin Ohio State, doch Iowa hat sich dadurch in die Favoritenrolle der Big Ten West begeben. Ich hatte vor der Saison bereits erwartet, dass die Hawkeyes aufgrund ihrer Defense ein Mitfavorit in ihrer Division sind, doch so gut hätte selbst ich diese Unit nicht erwartet. Wer gegen Indiana 6 Punkte abgibt und gegen Iowa State 17 (davon 7 in Garbage Time), kann es auch mit den Schwergewichten aufnehmen. Mich beeindruckt, wie sound diese Truppe auftritt, insbesondere in der Secondary. Das sind möglicherweise nicht alles künftige NFL-Stars, aber sie funktionieren als Einheit einfach unglaublich gut.
Wenn man jetzt nur einen wenigstens durchschnittlichen Quarterback hätte, könnte es ziemlich weit gehen…
#3 Was machen wir mit Texas A&M? Ein herausgewürgter Sieg bei Colorado klingt nicht SEC-Contender-würdig, oder?
Jan Weckwerth: Nee, das war eine üble Vorstellung der Aggies-Offense, die ein spätes Comeback brauchte, um überhaupt gegen die Buffaloes zu siegen. In der vergangenen Woche haben sich viele über die Fehler von QB Haynes King aufgeregt, doch nach Kings Verletzung zeigte sich schnell, dass die Offense ohne seine Scrambling-Fähigkeiten noch limitierter ist. Backup QB Zach Calzada ging die ersten vier Drives (und zwei weitere in der zweiten Halbzeit) 3&out. Das Problem auf Outside-Receiver ist geblieben oder hat sich sogar verstärkt. Dadurch mussten die diversen Runner auch im Receiving die Kohlen aus dem Feuer holen. Zudem scheint die O-Line noch nicht ganz so dominant wie letzte Saison aufzutreten.
Dass King sich den Knöchel gebrochen hat und mindestens vier bis sechs Wochen ausfällt, erhöht die Chancen der Aggies nicht gerade – zudem in diesen Zeitraum auch das Spiel gegen Alabama fällt.
#4 USC: Over/Under an Wochen, die Clay Helton noch Headcoach bleibt?
Jan Weckwerth: Null, da die Realität deine Frage leider eingeholt und überholt hat. Diese ganze Helton-Saga ist ein Paradebeispiel dafür, wie man als Football-Programm nicht agieren sollte. Der war letztlich seit Jahren eine lame duck, was sich natürlich aufs Recruiting und auf die Teameinheit ausgewirkt hat. Sowohl ein früher klarer Schnitt als auch ein langfristiges Bekenntnis wären deutlich bessere Optionen gewesen. Dieser vermeintliche Mittelweg hat dagegen zu nichts geführt, außer zu Frust auf allen Seiten.
#5 Notre Dame und FSU lieferten sich in Woche 1 eines der mehr beachteten Spiele. In Woche 2 wurden beide geerdet, auch wenn Notre Dame gerade so einen Sieg über Toledo herauswürgen konnte. Schafft Notre Dame überhaupt acht Siege dieses Jahr? Und FSU: Wird es wieder negative Bilanz?
Jan Weckwerth: Das war sicherlich keine Glanzvorstellung der Irish gegen ein wohlgemerkt unangenehm zu spielendes MAC-Team. Dennoch würde ich daraus noch nicht die ganz großen Schlüsse ziehen wollen. Notre Dame wird voraussichtlich mit den Playoffs nichts zu tun haben, aber acht Siege und mehr traue ich ihnen dann doch zu. O-Line und Defense werden sich nicht dauerhaft so mau präsentieren wie gegen die Rockets.
Bei Florida State sollten dagegen alle Alarmglocken schrillen. Natürlich kann man sich erst einmal lange und breit über das Freak Play bei auslaufender Uhr kaputtlachen, das zum Sensationssieg von FCS-Team Jacksonville State führte.
Doch die Probleme reichen weit über eine undisziplinierte Secondary und einen fragwürdigen defensiven Playcall hinaus. Jacksonville State war über die gesamte Spielzeit mindestens ebenbürtig. FSU benötigte für alle ihre Punkte eine günstige Feldposition. Das war eine ganz schlimme Vorstellung, die die Unruhe im Programm wachsen lassen wird. Mike Norvell hat keine einfachen Wochen vor sich.
#6 Michigan entdeckt gegen Washington endlich sein Laufspiel. Aber was ist dieser Kantersieg über die offensiv unterirdischen Huskies überhaupt wert?
Jan Weckwerth: Ich fand den Sieg durchaus beeindruckend, und zwar aus mehreren Gründen: 1) Das von dir angesprochene Laufspiel: Nach zwei Jahren Problemen (insb. 2020), den Ball konstant am Boden zu bewegen, sieht das nun ziemlich eindrucksvoll aus – selbst gegen gute Defenses wie die der Huskies. Hassan Haskins und der explosive Big Play-Threat Blake Corum werden auch noch anderen Teams Probleme bereiten. 2) Noch wichtiger: Die Umstellung der Defense geht offenbar schneller voran als – zumindest von mir – erwartet. Das sieht bislang nach einer sehr gut eingestellten und disziplinierten Unit aus. Hilft natürlich, wenn DE Aidan Hutchinson solche absoluten Weltklasse-Leistungen auspackt, mit denen selbst gestandene NFL-OTs ihre Probleme gehabt hätten.
Ich rechne dieses Jahr noch nicht mit den Wolverines, doch der Auftakt macht Hoffnung. Wirklich schade, dass Top-WR Ronnie Bell für die Saison ausfällt. Er hätte diese Offense nochmal auf eine andere Stufe gehievt.
#7 Zu Woche 2. Samstag 18h muss Nebraska zu Oklahoma. An welchen Strohhalm klammerst du dich, dass es unter 50 Oklahoma-Punkte werden?
Jan Weckwerth: Als Huskers-Fan muss ich da die Vergangenheit bemühen. Das Spiel findet anlässlich des 50. Jubiläums des „Game of the Century“ statt. Seinerzeit siegte #1 Nebraska bei #2 Oklahoma im Duell der beiden mit Abstand besten Mannschaften der damaligen Saison mit 35-31. Dieses unglaubliche Spiel ist in die College Football-Historie eingegangen und wird am Samstag sicherlich reichlich bemüht werden. Insbesondere denke ich da an den spektakulären Punt Return-Touchdown von Nebraskas WR Johnny „The Jet“ Rodgers samt ikonischem Kommentar der Huskers-Radiostimme Lyell Bremser.
Um zur Frage zurückzukommen: Vielleicht versprüht die Ausstrahlung dieser geschichtsträchtigen Bilder ja etwas Magie.
#8 Samstag 18h: Buffalo Bulls gegen Coastal Carolina. Die Chanticleers cruisen schon wieder ungebremst durch die Saison, sehen aber den ganzen Herbst nur zweitklassige Gegner. Wie stünden die Chancen der Chants gegen ein Top-5 Team?
Jan Weckwerth: Beim Lesen dieser Zeilen hatte ich erst kurzzeitig Hoffnung, dass du mich etwas über die Bulls fragen würdest. Aber nun denn, zu den Chanticleers: Ich glaube (noch) nicht, dass sie ein Top 5-Team gefährden könnten. Allerdings ist ihre Shotgun Option-Offense schematisch derart einzigartig und mit dem starken Passer QB Grayson McCall eben auch variabel genug, dass selbst gute Defenses ein wenig Eingewöhnungszeit brauchen, sich darauf einzustellen. Es benötigt ein extrem hohes Maß an Disziplin, um nicht auf die zahlreichen Motions und Eye Candies überzureagieren, sondern strikt seine Keys zu befolgen. Für mich als Option-Liebhaber hat HC Jamey Chadwell die aktuell aufregendste Offense im College Football geschaffen.
#9 Samstag 21h30: Florida gegen Alabama. Gib mir mal etwas Hoffnung: Wie soll Florida gleichzeitig Bryce Youngs Armada aufhalten und mit seiner eindimensionalen Rushing-Offense den Wall der Bama-Front überrumpeln?
Jan Weckwerth: Die eh geringe Hoffnung liegt für mich einzig und allein in True-Freshman Quarterback Anthony Richardson. Das Problem der Offense ist meiner Ansicht nach nicht mal, dass sie eindimensional ist, sondern dass der Lauf nicht besonders gefährlich ist. Das war bereits in der vergangenen Saison so, als die Runner bei einer solchen Pass-Wucht um Kyle Trask, Kyle Pitts und Kadarius Toney schlicht viel zu wenig rausgeholt haben.
Doch alles ändert sich in dem Moment, wo Richardson den Platz betritt. Der ist keiner dieser kleinen wuseligen dual-threat Quarterbacks, sondern ein echter Brocken mit Top-Speed. Absoluter Gamebreaker, was bereits an seinen Statistiken ersichtlich wird: 25 Yards pro Lauf (nein, nicht verlesen, 11 Rushes für 275 Yards) und 17.5 Yard pro Passversuch! Ich vermute, dass er gegen Nick Saban Lehrgeld zahlen wird, aber wenn Florida eine kleine Chance haben will, sollten sie mehr auf ihn und weniger auf den lediglich soliden Starting-QB Emory Jones setzen.
Doch selbst das wäre ja nur die halbe Miete. In der Defense müsste die starke Passrush-Zange Zachary Carter und Brenton Cox gegen die O-Line der Tide konstant für Pressure sorgen, Top-CB Kaiir Elam WR John Metchie kaltstellen und QB Bryce Young die übrigen, eher unerfahrenen Receiver nicht finden. Schlicht zu viele „ifs“.
#10 Samstag 1h30: Penn State gegen Auburn. Auburn trifft nach zweimal über 60 Punkten gegen Nachzügler jetzt erstmals auf echte Gegenwehr. Ist der Angriff von Bryan Harsin „for real“?
Jan Weckwerth: Das kann ich dir nach den zwei Spielen noch nicht beantworten. Was sich allerdings bereits sagen lässt: Harsin hat den wilden Spielstil von QB Bo Nix beruhigt und in Bahnen lenken können. Nix musste sogar lernen, under center zu gehen und macht das einigermaßen solide. Schadet natürlich auch nicht, wenn man mit Tank Bigsby einen der besten RBs des Landes (und meinen aktuellen Lieblings-Runner im College) neben bzw. hinter sich stehen hat. Dennoch wird sich gegen eine bärenstarke Penn State-Defense zeigen müssen, ob Nix den Ball auch konstant durch die Luft bewegen kann – bei einem wohlgemerkt nicht überragenden Receiving Corps. Ich bleibe daher vorerst skeptisch.
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