New York Giants 2021: Auf dem richtigen Weg

2020 war kein schlechtes Jahr für die Giants. Dennoch: Wenn Daniel Jones der Spieler ist, für den die Giants ihn halten, muss eine Steigerung gegenüber der letzten Saison die Pflicht sein.

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2020 haben die New York Giants unter dem neuem Head Coach Joe Judge einen Schritt nach vorne gemacht. Mit einem 6-10 Record, konnte man 2 Siege mehr landen, als in 2019. Die Giants schafften es in einer – zugegebenermaßen außerordentlich schwachen – NFC-East bis Woche 17 um die Playoffs mitzuspielen, die man jedoch letztlich verpasste.

2021 wird für die Personen auf den entscheidenden Positionen wegweisend. General Manager Dave Gettleman geht in seine vierte Saison mit den Giants, Quarterback Daniel Jones in seine dritte und der Trainerstab mit Joe Judge und den Koordinatoren Jason Garrett und Patrick Graham in ihre jeweils zweite. Der Ausgang dieser Saison und die Art und Weise, wie sich das Team präsentiert, wird also entscheidend sein, wie die Personalplanung der Giants auf diesen kritischen Posten weiter aussieht.

Die Offseason der Giants wurde insgesamt mehrheitlich als positiv bewertet, viele Experten sehen in den Giants einen Gewinner der Offseason. Die Moves, die dabei am meisten Aufsehen erregt haben, waren in der Free Agency die Verlängerung von DE Leonard Williams sowie die Verpflichtungen von Wide Receiver Kenny Golladay, Tight End Kyle Rudolph und Cornerback Adoree Jackson. Im Draft überraschte Gettleman mit einem Downtrade mit Chicago, der den Giants neben Wide Receiver Kadarius Toney in der ersten Runde dieses Jahr, einen zusätzlichen Erstrunden-Pick im Draft 2022 beschert.

Offense

Nach der kommenden Saison werden sich die New York Giants bezüglich ihrer Offense zwei entscheidende Fragen stellen müssen. Zum einen, ob Daniel Jones der Quarterback ist, mit dem die Franchise in die Zukunft gehen will. Zum anderen, ob Jason Garrett es geschafft hat eine explosivere und produktivere Offense zu formen, als in der letzten Saison. 2020 erzielten die Giants bei Yards und Punkten pro Spiel jeweils die zweitschlechtesten Werte der Liga.

Quarterback

Quo Vadis, Daniel Jones? Diese Frage, der ich in dieser Saison auch noch einen eigenen Artikel widmen werde, möchten die Giants kommende Saison beantwortet sehen. Der 6th-Overall Pick aus 2019 hat zweifellos seine Stärken, jedoch auch unübersehbare Defizite. Zudem haben es die Giants in den letzten beiden Saisons ihrem jungen Quarterback mit einem zu schwachen Waffenarsenal und einer überforderten Offensive Line nicht besonders leicht gemacht.

Jones‘ Deep Ball ist überdurchschnittlich gut. Er hat keine Angst vertikal zu passen und dort auch enge Fenster zu attackieren. Bei Pässen über 20 Air Yards war er der Quarterback mit der höchsten Completion Percentage over Expectation und warf dabei keine einzige Interception (19 von 39, 636 Yds, 5 TD). Sein Passer Rating bei tiefen Bällen war 134.3. Die 48,7 % Completion Percentage sind der viertbeste Wert der Liga in 2020.

Seine Fähigkeiten als Läufer sind ebenfalls positiv herauszustellen. Er erzielte letztes Jahr fünf Spielen mit über 40 Rushing Yards, trotz diversen Verletzungen im letzten Saisondrittel.

Die sicherlich offensichtlichste Schwäche von Jones ist der Umgang mit Pressure. Er hat weder ein gutes Gefühl dafür, woher der Druck kommt, noch schafft er es rechtzeitig den Ball loszuwerden oder zu schützen. Diese Schwäche führte in den 27 Spielen seiner bisherigen Karriere zu absurden 29 Fumbles. Außerdem stehen in 2020 45 Sacks in den Büchern, die er oftmals auch selbst mit verursachte.

Jones muss sich individuell steigern, um den eigenen Ansprüchen und denen des Teams gerecht zu werden. Er hat gezeigt, dass er das Potenzial und die Anlagen dazu hat. Allerdings führten noch zu oft falsche Reads und Entscheidungen oder Ballverluste dazu, dass das Negative in seiner Bewertung überwiegt. Schafft er den Durchbruch im nächsten Jahr nicht, dürfte es für ihn schwer werden, seine Karriere als Starter in New York fortzusetzen.

Offensive Line

Letztes Jahr hat die Giants Offensive Line mit einer Pressure Rate von 39,7 % den zweitschlechtesten Wert in der Liga erzielt. Mit Andrew Thomas und Shane Lemieux starteten bei den meisten Spielen zwei Rookies auf Left Tackle und Left Guard. Außerdem war es für Nick Gates die erste Saison auf Center. Auf Right Tackle wechselten sich Rookie Matt Peart und Veteran Cam Fleming ab. Nur auf Right Guard hatte man mit Kevin Zeitler eine erfahrene Konstante. Das schlechte Abschneiden der Giants O-Line lässt sich also zum Teil auf Unerfahrenheit und Uneingespieltheit zurückführen. Besonders den Rookies auf den Tacklepositionen hat man angemerkt, dass sie extreme Probleme hatten sich an das NFL-Niveau anzupassen.

Für die kommende Saison hoffen die Giants auf eine individuelle Steigerung aller Spieler. Das sieht man daran, dass man in der Offseason bemerkenswert inaktiv war, was Veränderungen in der Offensive Line angeht. Man bekommt lediglich Nate Solder nach Opt-Out zurück, der sich wahrscheinlich mit einer Swing-Tackle Rolle begnügen muss. Denn die Starting Offensive Line der nächsten Saison wird sich bis auf Peart als dauerhafter Starter auf RT und Will Hernandez auf RG nicht ändern. Hernandez ersetzt den nach Baltimore abgewanderten Zeitler. Es ist also mit einer weiteren holprigen Saison der Giants O-Line zu rechnen. Ohne eine signifikante Weiterentwicklung sind alle Spieler auf ihrer Position maximal durchschnittliche, eher unterdurchschnittliche Starter in der NFL.

Skill Positions

2020 haben mit Darius Slayton, Sterling Shepard und Evan Engram, nur 3 Spieler der New York Giants mehr als 500 Receiving Yards erreicht. Golden Tate hatte zwar noch einige Highlight-Momente, jedoch war deutlich zu erkennen, dass er seinen Zenit überschritten hatte. Nur 388 Yards und 2 Touchdowns belegen das eindrucksvoll. Im Rushing hat der Kreuzbandriss von Saquon Barkley in Woche 2 früh den zweifelsohne talentiertesten offensiven Skillplayer der Giants für die gesamte Saison außer Gefecht gesetzt. Aufgefangen wurde dies von Wayne Gallmann, Alfred Morris und in Richtung Saisonende Devonta Freeman. Gallmann konnte dabei mit 4,6 Yds/Att (682 Yards, 6 TDs) positiv überraschen. Freeman wirkte jedoch mit 3,2 Yds/Att kontinuierlich wie ein Fremdkörper in dieser Offense.

Im Bereich der Skillplayer ist zur neuen Saison eine eindrucksvolle Verbesserung auf dem Papier zu verzeichnen. Mit den Free Agency Signings von Kenny Golladay und Kyle Rudolph, dem First-Round-Pick Kadarius Toney und dem Comeback von Saquon Barkley wurde das unzulängliche Waffenarsenal priorisiert adressiert. Die Giants haben nun mit Golladay einen klaren Nummer 1 X-Receiver, dessen Contested Catches bisweilen spektakulär sind. Mit Toney kommt ein Spieler hinzu, der extrem wendig und schwer zu tackeln ist. Er stellt somit besonders im Kurzpassspiel eine zusätzliche Option mit großem Yards after Catch Potenzial dar. Rudolph ist ein bewährtes Red Zone Target und bietet die Möglichkeit öfter zwei Tight Ends aufs Feld zu bringen.

Es ist zu erwarten, dass das Waffenarsenal der Giants im nächsten Jahr ein gänzliches anderes Gesicht zeigt, als im vergangenen. Golladay ist – wenn fit – als Outside Receiver und Barkley im Backfield gesetzt. Dazu haben die Giants mit Toney, Engram, Rudolph, Shepard im Slot und Slayton als Deep Threat fünf Spieler für drei Plätze, die je nach Gegner, Gameplan und Spielsituation das Receiving Corps ergänzen können. Es kommt Spielern wie Slayton und Shepard außerdem zu gute, dass sie nicht mehr die Nummer 1 sein müssen. Ziehen Golladay und Barkley vermehrt die Aufmerksamkeit der Defense auch sich, sollte das auch der Produktivität der anderen Spieler helfen. Im Bereich der Skillplayer ist also insgesamt eine deutliche Steigerung gegenüber dem letzten Jahr zu erwarten.

Coaching

Das erste Jahr von Jason Garrett als Offensive Coordinator der Giants war schlecht. So schlecht wie die meisten vor der Saison befürchtet haben. Er setzte den Trend seiner letzten Jahre in Dallas fort, bevor er dort von Kellen Moore als Playcaller abgelöst wurde. Die Offense wirkte insgesamt sehr statisch, wenig explosiv und vorhersehbar mit einer hohen Run-Quote bei Early Downs. Die oben beschriebene Deep Ball Stärke von Jones wurde wenig genutzt. Außerdem wurde ihm wenig mit Elementen wie Play-Action oder Motion geholfen.

Die Giants haben trotz all diesen negativen Punkten im Playcalling in der Offseason an Garrett festgehalten. Das dürfte damit zu erklären sein, dass man Jones in seinem dritten Jahr nicht mit seinem dritten Offensive Coordinator konfrontieren möchte. Für die neue Saison bleibt daher nur zu hoffen, dass man Daniel Jones nicht nur durch die neuen Waffen unterstützt, sondern auch durch ein verbessertes Playcalling, das verstärkte Einbinden von Play Action und Read Options sowie einem flexiblem Einsatz von Barkley, auch im Passing Game. Des weiteren wird es spannend sein zu sehen, wie Garret Jones‘ Stärke als Runner nutzen wird.

Defense

Die Defense der New York Giants war eine positive Überraschung der letzten Saison und flog trotzdem etwas unter dem Radar. Man ließ die zwölftwenigsten Yards und neuntwenigsten Points per Game zu. Der Defensive Coordinator Patrick Graham, den Joe Judge aus seiner Zeit bei den Patriots kennt und den er aus dem Coaching Tree von Brian Flores in Miami verpflichtet hat, gilt als einer der jungen aufstrebenden Defensive Coordinators und hat sich in der letzten Saison einen echten Namen gemacht.

Man erkennt in Grahams Art und Weise die Defense aufs Feld zu bringen klar die Patriots-Schule. Sie baut sich über eine starke Secondary und eine flexible Front und nicht über individuell herausragende Pass Rusher auf. So hat James Bradberry im letzten Jahr den Schritt zu einem klaren Top-10 Cornerback gemacht. Mit Adoree Jackson wird dem ein weiterer Cornerback mit Nummer-1-Potenzial gegenüber gestellt. In der Front war Leonard Williams mit den siebtmeisten Sacks der Liga der herausragende Akteur der letzten Saison, was er sich bei der Vertragsverlängerung in der Offseason fürstlich bezahlen ließ.

Front Seven

In der Front Seven der New York Giants wurde im letzten Jahr viel rotiert. Neben den klaren Starten Leonard Williams und Dexter Lawrence in der Defensive Line und Blake Martinez als Inside Linebacker, kamen wegen Verletzungen und dem Fehlen von individuell herausragenden Spielern, sehr viele verschiedene Spieler zum Einsatz. Lorenzo Carter, der auf EDGE vor der Saison als gesetzt galt, riss sich in Woche 5 die Achillessehne und fiel den Rest der Saison aus.

Für die kommende Saison kehrt er zurück und wird auf der gegenüberliegenden EDGE-Position durch den in Runde zwei gedrafteten Speed Rusher Azeez Ojulari komplementiert. Für die Rotation in der Line wurden Danny Shelton und Ifeadi Odenigbo verpflichtet. Damit hat der Giants Pass Rush zwar immer noch nicht die größten Namen vorzuweisen, konnte sich aber – bis auf Run-Stopper Dalvin Tomlinson – ohne größere Abgänge sowohl in der Spitze, als auch in der Tiefe verbessern. Nachdem man im letzten Jahr bereits die zehntbeste Pressure Rate vorweisen konnte, sollte hier eine weitere Steigerung möglich sein.

In der Linebacker-Gruppe dürfte Martinez weiterhin als gesetzt gelten, der letzte Saison positiv überraschte. Er war gegen den Run gewohnt stark und in Coverage nicht die erwartete Schwachstelle, die er in den Vorsaisons bei den Packers war. Dahinter scheint das Rennen zwischen einigen jungen Spielern und Veteran Reggie Ragland ziemlich offen.

Secondary

Die Secondary ist mit Sicherheit die stärkste Positionsgruppe der Giants, sowohl was Spitze, Tiefe, als auch Potenzial angeht. Mit James Bradberry und Adoree Jackson verfügt man über ein sehr starkes Cornerback Duo. Jabrill Peppers als Box-Safety ist okay. Xavier McKinney als Cover-Safety war in seiner Rookie-Saison lange verletzt, aber konnte zum Saisonende sein Potenzial andeuten. Mit Logan Ryan hat man außerdem einen überaus fähigen weiteren Defensive Back, der flexibel als Safety, Outside-Cornerback und Slot-Cornerback einsetzbar ist. Man hat des weiteren mit Rodarius Williams in der dritten Runde des Drafts einen Slot-Cornerback gepickt, der einen sofortigen Impact haben kann. Mit Julian Love, Darnay Holmes und Isaac Yiadom vervollständigen gute Spieler die Tiefe und Rotation.

Ich bin absolut gehyped über diese Positionsgruppe und denke, dass sich gegnerische Offenses das ein oder andere Mal die Zähne an dieser Secondary ausbeißen werden. Graham wird hier viel rotieren und mit Spielern wie Williams, Love, Ryan und McKinney schwer lesbare Looks kreieren. Die Flexibilität, die damit in Coverage möglich ist, um den gegnerischen Quarterback zu verunsichern, sollte die Giants zu einer der unangenehmsten Defenses der Liga machen.

Coaching

Ich habe es in den vorherigen Abschnitten schon angedeutet: Mit Patrick Graham haben die Giants ein echtes Juwel als Defensive Coordinator. Glücklicherweise hat er Interview Anfragen für einen Head Coaching Job vor der Saison abgelehnt und bleibt den Giants somit erhalten. Aus meiner Sicht hat er das Potenzial den “Brian-Flores-Weg” zu gehen und die Giants Defense zu einer der besten der kommenden Saison zu coachen. Dazu hat man an den entscheidenden Stellen die Defense verstärkt. Diese Ergänzugen sollten perfekt passen, um Grahams flexible Rushing Defense mit einer starken Man-Coverage-Secondary dahinter umzusetzen.

Ausblick

Die 2020 Saison der New York Giants war ein Fortschritt gegenüber 2019. Und diese Offseason war in Summe betrachtet auch mehr als ordentlich. Man konnte das Waffenarsenal in der Offense deutlich verstärken und gibt Daniel Jones so die Möglichkeit seine Stärken auszuspielen. Das ist auch dahingehend wichtig, ihn nach der Saison fair evaluieren können. Die schon starke Defense wurde weiter aufgewertet und sollte unter Patrick Graham einen weiteren Schritt gehen können. Das alles spricht stark dafür, dass die Giants sich in 2021 weiter steigern können.

Diese positive Entwicklung funktioniert aber nur, wenn die Offensive Line sich individuell und als Unit steigert und nicht der Stock ist, der dem Giants-Rad in die Speichen geworfen wird. Außerdem muss Jason Garrett zeigen, dass er sich der heutigen NFL anpassen kann. Sein großes Ziel muss es sein Jones’ Entwicklung zu fördern, statt ihn mit seinem statischen Spielansatz weiter zu bremsen.

Setzt sich die erwartete Steigerung zur Vorsaison auch in den Resultaten um, sollten die Giants also mindestens sieben Spiele gewinnen. Aus meiner Sicht ist ein positiver Record mit diesem Team absolut drin. Besonders wenn Daniel Jones einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung macht und die O-Line zumindest durchschnittlich ist. Mit ein bisschen mehr Matchglück, als in der letzten Saison – also ohne dass Evan Engram in kritischen Momente Bälle dropt oder tipt – können die Giants um den Sieg in der NFC East mitspielen. Es wäre der erste Division Sieg für die New York Giants seit 2011. Und wie das damals endete? Fragt mal Tom Brady

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