Minkah Fitzpatrick wechselte in der vergangenen Saison per Trade von den Dolphins zu den Steelers und hob die Defense merklich auf ein neues Level. Es hagelte Turnover durch die Pittsburgh Defense an allen Ecken und Enden. Mancherorts schwelgte vielleicht der ein oder andere langjährige Steelers Fan bereits in Erinnerungen an das dominante Spiel des “Steel Curtain” in den 70er Jahren. Vergleicht man die Turnover-Differenz der 2019er Saison mit jener des Vorjahres, verbesserte man sich von -11 auf +8. Doch was kann man für die 2020er Saison erwarten?

Nachhaltigkeit im Football

Bevor wir uns der Antwort auf diese Frage widmen, müssen wir auch hier wieder einen kleinen Exkurs einschieben. Ganz grundsätzlich muss man beim Blick in die Glaskugel der Zukunft zwischen zwei verschiedenen Arten von Metriken unterscheiden. Zum einen gibt es stabile Metriken, also solche, die sich mit relativ großer Sicherheit vorhersagen lassen. Als Beispiel hierfür sei der EPA/Dropback-Wert eines Quarterbacks genannt. Auf der anderen Seite gibt es Metriken, die vor allem vom Zufall bestimmt werden, wie zum Beispiel die Anzahl an Fumble-Recoveries: Ist der Ball einmal frei, ist er so unberechenbar, dass es pures Glück ist, wer ihn wieder aufnimmt.

Doch um welche Art von Metrik handelt es sich bei der Turnover-Bilanz denn nun? Ist sie ein reproduzierbares Produkt aus der Qualität von Offense und Defense? Oder ist es einfach purer Zufall. Um dies zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die Statistikbücher der NFL.

Turnover-Bilanzen in 2018 und 2019

Beginnen wir zunächst einmal exemplarisch mit den NFL Saisons 2018 und 2019. Auf der Y-Achse des folgenden Diagramms sehen wir die jeweilige Turnover-Bilanz der Teams. Diese sind absteigend nach dem Resultat in der Saison 2018 sortiert. Die grünen und roten Pfeile zeigen ob und wie stark sich das jeweilige Team verbessert, bzw. verschlechtert hat.

Abbildung 1: Turnover-Bilanz 2018 vs 2019

Die Farben der Pfeile machen gleich auf den ersten Blick klar: Teams mit guter Bilanz in 2018 (linke Hälfte, rote Pfeile) verschlechtern sich fast ausnahmslos. Einzig die Patriots, Saints und Colts trotzdem dem Trend und schaffen es, das Level zu halten oder sich sogar zu verbessern. 9 von 18 Teams mit positiver Bilanz haben in 2019 eine um mindestens 5 Punkte schlechtere Bilanz.

Schaut man auf die rechte Hälfte des Diagramms, ist das Gegenteil zu beobachten. Mit Ausnahme der Detroit Lions verbessern sich alle Teams mit negativer Turnover-Bilanz. Von 14 Teams mit einem Wert von 0 oder schlechter in 2018, verbessern sich ganze 8 sogar um mindestens 5 Punkte.

Es wird klar: Teams mit positiver Bilanz neigen dazu, sich zu verschlechtern, Teams mit negativer Bilanz scheinen sich im Folgejahr zu verbessern. Dieses Phänomen bezeichnet man als Regression zur Mitte. Doch ist der betrachtete Zeitraum nur ein Ausreißer oder kann man dieses Verhalten auch über einen längeren Zeitraum beobachten?

Regressionsanalyse: Wie prädiktiv ist die Turnover-Bilanz?

Um dies zu beantworten, bedienen wir uns wie bei der Analyse von Lauf- und Passspiel erneut einer Regressionsanalyse. Hierzu bilden wir Datenpaare. Diese bestehen aus der Turnover Differenz in einer Saison n und der Bilanz in der vorherigen Saison n-1. Die Variable n steht hierbei für eine beliebige Saison aus dem Zeitraum 2000 bis 2019. Anschließend wird jedes Datenpaar in ein Koordinatensystem eingezeichnet und man ermittelt diejenige Funktion, die alle Punkte möglichst gut beschreibt.

Abbildung 2: Regressionsanalyse Turnover Differenz

Gleich auf den ersten Blick wird klar: Selbst die ermittelte, bestmögliche Funktion beschreibt die Datenpaare mehr schlecht als recht. Der statistische Koeffizient liegt bei nur 0.0121. In Worten ausgedrückt erklärt also die Turnover-Bilanz aus einer Saison n-1 die Turnover-Bilanz in der darauffolgenden Saison n nur zu knapp einem Prozent. Die Bilanz aus dem Vorjahr hat also fast gar keinen Einfluss auf die Turnover-Bilanz im Jahr darauf.

Wir müssen feststellen, dass die Turnover-Bilanz aus mathematischer Sicht keine reproduzierbare Qualität eines Teams ist. Der Zufall spielt in diesem Kontext eine immens große Rolle. Doch was bedeutet das für die 2020er Saison?

Ausblick: Regressionskandidaten 2020

Die Aufgabe ist nun eine leichte. Teams mit guter Bilanz in 2019 sind Kandidaten für eine Verschlechterung in der kommenden Saison, Teams mit mieser Bilanz sind unsere Kandidaten, die sich Hoffnung auf Besserung machen dürfen.

Abbildung 3: Turnover-Bilanz 2019

Die Chargers und Giants sind unsere Prime-Kandidaten für positive Regression, ebenso die Buccs, Panthers und Bengals. Auf der anderen Seite des Spektrums finden wir die Patriots, Saints, Packers, Seahawks und Vikings. Bei all den genannten Teams erwartet die Mathematik eine Regression gegen den Mittelwert 0. Doch kann man auf Basis dieser Info gleich Haus und Hof darauf verwetten, dass alle jene Teams sich nun auf jeden Fall gemäß unserer Erwartung verhalten? Flacht das eingangs beschriebene Hoch der Steelers-Defense auf jeden Fall wieder ab?

Die Antwort auf diese Frage lautet klar “Nein”. Selbstverständlich ist es möglich, dass sich ein Team wie die Steelers oder sogar eines wie die Patriots verbessert, oder Daniel Jones eben noch mehr fumbled und diese vom Gegner recovered werden. Die Theorie hinter der Regression zur Mitte besagt lediglich, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sich Ausreißer gen Mittelpunkt bewegen, nicht jedoch, dass dies garantiert ist.

Bill Bellichick hält nichts von Mathematik

Tatsächlich gibt es ein Team, dass der erwarteten Regression Jahr für Jahr trotzt: Die New England Patriots. Beginnend in der 2006er Saison kann das Team aus Boston in jeder Saison eine positive Bilanz aufweisen. Zwar schwankt diese dabei immer noch merklich, die Baseline liegt aber scheinbar deutlich über jener der anderen Teams. Eine Antwort auf die Frage, warum das so ist, habe ich leider an dieser Stelle nicht, es sollte aber nicht unerwähnt bleiben.

Abbildung 4: Patriots Turnover-Bilanz 2006-2019

Und natürlich ist die Aussage “Bill Bellichick hält nichts von Mathematik” nicht ernst gemeint. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Patriots einer der Vorreiter in puncto ‘Analytics’ waren, auch wenn Belichick dies ein ums andere Mal subtil abstreitet. Der Head Coach der Patriots hält nur scheinbar nichts davon, sich den Gesetzen der Regression gänzlich zu unterwerfen und schafft es andauernd, mit seinem Team eine positive Turnover-Bilanz zu kreieren. Dennoch würde es mich auch hier nicht überraschen, wenn wir zumindest eine kleine Regression sehen würden. Eine Bilanz von +21 zu wiederholen dürfte selbst für einen solch herausragenden Head Coach eine Herkulesaufgabe darstellen.

2 KOMMENTARE

  1. Ich habe eine Vermutung, warum die Patriots fast immer eine positive TO-Bilanz. Die eigenen Takeaways mit der Defense sind instabil, das sollte klar sein. Aber die Patriots-Offense unter BB ist ja auch dafür bekannt, sehr turnover arm zu sein. BB predigt Ballsecurity als A und O. Brady selbst ist ja auch einer der QBs, der sehr gut auf den Ball aufpasst. Der niedrigste Wert war ja 2008 mt Matt Cassel als QB.

    • Hallo Matze,
      Das sind wohl alles Faktoren, die eine Rolle spielen ja. Trotzdem ist die Konstanz, mit der die Patriots das hinbekommen, beeindruckend. QBs mit wenig Interceptions gibts es ja noch mehr, Aaron Rodgers zum Beispiel. Die Packers schaffen es aber nicht. Irgendwo muss es also noch ein Element geben, was hier eine Rolle spielt…

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